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Ersatzteilversorgung bei Klassikern
"Gibt's nicht, geht nicht"

Automobile Klassiker sind in. Sei es als Geldanlage oder nur zum Spaß. Gut, wenn der Hersteller auch noch alle Ersatzteile vorrätig hat.

Ein Artikel von Sven Jürisch vom AutoScout24 Magazin

Das Ende seines automobilen Traums nahte für Peter in Form des TÜV-Termins. Erst vor kurzem hatte sich der Liebhaber klassischer Automobile einen Audi V8 aus dem Jahr 1992 gekauft und nun das: Nicht nur dass die vorderen Bremsen mangelhaft waren, auch der Tank war durchgerostet, und die Frontscheibe war ebenfalls nicht geeignet, die Gnade des Prüfers zu finden. Die Plakette rückte in weite Ferne. Doch angesichts des guten Gesamtzustands und der erst 125.000 Kilometer auf dem Tacho war Peter fest entschlossen, das einstige Prestigeobjekt der Ingolstädter Autobauer zu reparieren. Schließlich hatte der Audi Q7-Fahrer den alten V8 auch als Wertanlage erworben.

Totalausfall bei Audi

Der Besuch beim örtlichen Audi-Partner brachte Ernüchterung. Kraftstoffbehälter und Bremsscheiben samt Belägen waren nur für abstrus hohe Preise lieferbar und die eingeklebte Scheibe samt Rahmen überhaupt nicht mehr. Ohne Montage hätten allein die lieferbaren Positionen die Rechnung auf fast 3.000 Euro getrieben. Zuviel angesichts des aktuellen Marktwertes des Audi, weshalb Peter den einstigen Stolz der Marke am Ende entnervt und mit sattem Verlust versteigerte.

So wie ihm ergeht es derzeit vielen Liebhabern der Marke. Audi nutzt seine jüngere Historie vor allem, um Marketing zu betreiben. Neben einem aktuellen Audi S-Modell macht sich ein alter Audi quattro nun einmal gut und untermauert die Kompetenz und den Premium Anspruch der Marke. Dass es mit der Ernsthaftigkeit in Sachen Traditionspflege doch nicht soweit her ist, merkt nur der Oldie-Kunde am Teile-Tresen. Das Unternehmen, das mit technischen Innovationen Automobilgeschichte schrieb, kann Ersatzteile für ältere Fahrzeuge nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr liefern.

Ein eigens eingerichteter Online-Shop vertreibt zwar Restbestände, doch häufig handelt es sich um wenig gefragte Einzelteile, oder aber die Teilepreise erreichen ein Niveau, das in keinem Verhältnis zu den vielfach im unteren Bereich rangierenden Marktpreisen der Ingolstädter Modelle aus den 80er und 90er Jahren steht. Und auch bei Nachfertigungen ist Audi kein guter Partner. Diesbezügliche Anfragen werden nicht selten mit dem Hinweis abgelehnt, die Nachfrage sei bei dem zu erwartenden Verkaufspreis zu gering. Eine Praxis, die wenig Lust auf ein klassisches Automobil mit vier Ringen macht und deren Bestand in den letzten Jahren hat stark schrumpfen lassen.

Mit Liebe betreut

Anders behandelt man das Thema bei Porsche, Mercedes-Benz und BMW. Hier lebt man die eigene Tradition und gibt sich seit Jahren viel Mühe bei der Betreuung der Anfragen. Zentrale Lagerhaltung, schnelle Lieferfähigkeit und mitunter subventionierte Nachbauten lassen die Bindung der Oldie-Fahrer zum jeweiligen Mutterhaus wachsen. Dahinter steht zum einen die Überlegung, dass der Kunde, der sich einen Oldie der Marke leistet, nicht selten auch genug Affinität und Kleingeld für ein aktuelles Modell hat, zum anderen aber auch ein deutliches Bekenntnis zu den eigenen Produkten vergangener Tage.

Kein Wunder, dass auch in Sachen Service eher geklotzt als gekleckert wird. Von Stromlaufplänen über Reparaturanleitungen bis hin zum kompletten Oldie-Werkstatt- und Restaurationsservice wird alles angeboten. Werbewirksam setzte BMW dies vor einigen Jahren in Szene, indem die Münchner einen 02er-BMW nur aus verfügbaren Ersatzteilen zusammenbauten. Mit dem Ergebnis, dass am Ende ein komplettes Auto antreten konnte.

Aber auch wer nur eine Frage zur Wartung oder zum Lebenslauf seines automobilen Schätzchens hat, wird von enthusiastischen Mitarbeitern tatkräftig unterstützt. Nicht ohne Eigennutz der Mannschaft, denn bei so manch einem alt gedienten Mechaniker leuchten die Augen, wenn er statt Teile-Tauschen mal wieder richtig schrauben kann. Dass sich dieses Engagement auch finanziell lohnt, macht das Geschäft mit den alten Ersatzteilen am Ende des Jahres deutlich. Unter dem Strich bleibt bei BMW, Porsche und Mercedes neben dem Imagegewinn ein sattes Plus in der Kasse. Und auch für die Kunden lohnt sich das Engagement, sichert die gute Teileversorgung doch den Werterhalt ihrer automobilen Aktie.

Aus Spaß an der Freud

Aber selbst bei einfacheren Mobilen kann sich das Bemühen um die Oldtimer verliebte Kundschaft lohnen. Während Opel und Ford sowie die japanischen Hersteller dieses Geschäft weitestgehend vernachlässigen, macht ausgerechnet Audi-Mutter Volkswagen vor, wie Klassikerpflege im mittleren Preissegment auszusehen hat. Die Wolfsburger haben dazu vor 17 Jahren eine eigene Gesellschaft (Weser-Ems Vertriebsgesellschaft mbH, www.volkswagen-classic-parts.de) gegründet, die in einem ehemaligen Ersatzteil-Vertriebszentrum eine nahezu beispiellose Logistik unterhält. Auf 24.000 Quadratmeter lagern rund sechs Millionen Artikel für Volkswagen aller Art; jedes Jahr kommen rund 7.500 dazu. Von der Rohkarosse des Golf R32 bis zur Dekorfolie für die Heckklappe des Golf GTI I sei alles vorhanden, so Jörn Schwieger von Volkswagen Classic.

Und wenn mal etwas fehlt, wird eben auf Original-Werkzeugen nachgefertigt, denn gibt’s nicht, geht nicht, findet man bei VW. So geschehen bei dem raren Kotflügel des Golf GTI G60 oder einem Keilriemen für luftgekühlte Volkswagen. Doch anders als bei der Ingolstädter Tochter, wo der Nachbau eines einst 150 Euro teuren Abgaskrümmers schon mal mit rund 700 Euro für den Endverbraucher zu Buche schlagen kann, verkauft VW die Teile nicht zu Höchstpreisen. Quersubventionen stellen bei den Wolfsburgern sicher, dass die Kosten in Relation zu den Marktwerten der historischen Fahrzeuge stehen und die Oldie-Liebhaber nicht die Lust an ihrem Hobby verlieren.

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