Ein Nachruf auf den quattro-Antrieb, der von Audi nun endgültig zu Grabe getragen wurde
Es gibt hunderte
Berichte, zahllose Internet-Seiten und jede Menge Bücher, die sich mit dem
quattro-Antrieb beschäftigen. Wie toll er nicht ist. Was er nicht für eine
Revolution auf der Straße und im Rallyesport auslöste. Und was er für Audi
nicht alles bewirkte.
Wie man die Sache
aber dreht und wendet: Erfunden hat Audi den Allradantrieb nicht. Was sie aber
sehr wohl taten, war die Vereinfachung eines komplexen Systems: Keine
außenliegende Welle mehr, die vom Mittel- zum Vorderachs-Differenzial führt.
Entsprechend weniger Bauteile, weniger Platzbedarf, weniger Fehleranfälligkeit.
Die Hohlwelle rettete den Schlachtplan von Audi, mit dem Quattro den Automarkt
gravierend umzurühren, was im Endeffekt auch gelang. Die Hohlwelle war die
Initialzündung, die den schnelllaufenden quattro-Antrieb erst alltagstauglich,
und einzigartig machte.
Für Vorstand und Marketing natürlich die Gelegenheit, das
angestaubte Image der Marke, die bisweilen vor allem von Oberlehrern und
Agrarökonomen frequentiert wurde, positiv in die Schlagzeilen wuchten zu
können. Allrad! Schnell laufend!! Wartungsfrei!!! Mag sein, dass man in
Ingolstadt vor lauter Übereifer schon fast überheblich wurde.
Tatsächlich hatte
Audi den Allradantrieb für PKWs erst salonfähig gemacht. Viele Marken schoben
rasch Allradler nach, wollten am Kuchen mitnaschen, den Audi da aus dem Ofen
geholt hatte. Doch alle, die vier angetriebene Räder anbieten wollten, mussten
auf andere Konzepte zurückgreifen. Ab und zu noch die klassische Welle als
Verbindung zum VA-Diff, immer öfter aber Visco-Kupplungen, die mit der Zeit –
und dank elektronischer Steuerung – immer besser wurden. Und mit der Zeit die
konzeptbedingten Nachteile schlicht überflügelten.
Audi geriet in Zugzwang. Quattro war zwar immer noch lustig, nicht von der Hand zu weisen, waren aber der ungemeine Platzbedarf vor der Vorderachse. Motor und Getriebe mussten sehr weit vorne positioniert werden, was jeden Audi zum typischen Untersteuerer machte. Das war zwar nicht so schlimm, weil der Geradeauslauf dafür tadellos war. Schlimmer war es, dass zu Zeiten steigender Konkurrenz im Premium-Segment die Vorderachse unbedingt weiter nach vorne rücken musste: Zum einen, um den Platz im Fahrgastraum zu steigern. Vor allem aber, um beim Design mehr Freiräume zu haben. Audi soll schließlich schick werden, und da passt so ein fetter Überhang nicht ins Konzept. BMW ist in diesem Fall eindeutig das Vorbild, und da war den Audianern jedes Mittel recht, um den Schnöseln aus München möglichst nahe zu kommen.
Zur Präsentation
des neuen A5 dann der große Knüller: Differenzial und Kupplung haben Platz
getauscht. Dadurch konnte die Vorderachse um 15 cm weiter nach vorne wandern.
Super ist das, hey! Die Medien und zahllose Audi-Fanseiten im Netz übernahmen
brav diese Formulierungen der verdrehten Bauteile und wie super Audi jetzt
deswegen ist.
Wer sich aber ein
wenig damit beschäftigt, wird sich schnell fragen, wie das funktionieren soll:
Wenn Kupplung und Diff wirklich Platz tauschten, wo wird denn dann der
Kraftschluss unterbrochen? Wie soll man sich das vorstellen? Und wie bitte soll
das überhaupt funktionieren? Wer ein wenig skeptisch war, wunderte sich jetzt
schon, warum es nirgends Schnittzeichnungen des Getriebes gab, das so groß
angekündigt wurde. Und vor allem: Wie passt da dann noch die Hohlwelle rein?
Schließlich
tauchte doch eine Zeichnung auf, und das Ergebnis war verblüffend: Die
Kraftschluss-Reihenfolge blieb unverändert, nur die Positionierung der Teile wurde
umgedreht: Das VA-Diff hockt nun quasi vor dem eigentlichen Getriebe, weit weg
vom Mitteldiff. Und zu weit weg, um mit einer Hohlwelle noch eine Verbindung
erreichen zu können. Audi verabschiedete sich also vom ureigenen
Quattro-Konzept und greift auf eine Zusatzwelle zurück, die das vordere Diff
antreibt.
Das Konzept, das
Audi jahrzehntelang verschmähte und verarschte, wanderte nun still und heimlich
in die neueste Generation der Marke mit den vier Ringen. Der Q7 fing damit an,
die Sense zu schwingen, der A5 ist der endgültige Sargnagel, und mit dem
Volumensmodell A4 kommt schlussendlich der Totengräber der Hohlwelle ins Spiel.
Das wars also.
Was von quattro
blieb, ist im Endeffekt nur ein schicker Schriftzug auf Armaturenbrett und
Heckklappe, aber das reicht den Marketing-Leuten ohnehin. Und der neuen
Kundschaft im Endeffekt auch. Denn die, denen quattro noch wirklich etwas
bedeutet, zählt Audi schon lange nicht mehr zum bevorzugten Kundenkreis.
Kein Problem also, mit klassischen Tugenden aufzuräumen, die Audi einst groß machten:
Vollverzinkung? Brauchen wir nicht, da halten die alten Modelle nur zu lang.
Quattro? Gibt eh ESP.
Dass quattro sterben
musste, ist also nicht das primäre Problem. Eher, dass Audi schon lange nicht
mehr Audi ist.
Text: Roland Scharf