Seitenblicke in Ingolstadt
26. November 2006 | Modellautobörse im Audi Forum
Die Modellautobörse im Audi Forum Ingolstadt zieht jedes
Jahr viele Besucher an und ist nebenbei zu einem beliebten Treffpunkt der
Urquattro-Fangemeinde im Maßstab 1:1 geworden, bei dem man nebenbei auch gleich
einen Abstecher ins Museummobile machen kann. Auch wir nahmen diese
Veranstaltung zum Anlass, sich ins Getümmel zu stürzen, um uns dort mal
einwenig umzusehen.
Ingolstadt zeigte sich von seiner grauesten Seite, nicht nur
aufgrund der nebelverhangenen Witterungsverhältnisse. Auch die architektonisch
interessanten Audi-Gebäude schienen von außen irgendwie wenig einladend und
grau in grau. Böse Zungen behaupteten sogar, dass man hier nur Farbe ins Spiel
bringen kann, indem man sich im AudiShop ein Malbuch und Buntstifte kauft. Ein
Schelm, wer böses denkt.
Oder eben hier im Automobilia-Sammelsurium Ausschau nach
Dingen hält, die daheim eh nur sinnlos herumstehen und verstauben. Diese
Erkenntnis kommt dann aber meist erst zu Hause. Und ehrlich: Bei diesen Dingen
geht es ja ums Jagen und Erlegen, und nicht ums Besitzen.
Detailverliebt wie wir sind, konnte uns so manches nicht
verborgen bleiben. Wir ersparen Euch hier aber an dieser Stelle einen
Standard-Museumsbesichtigungs-Fotobericht, denn diesmal konzentrieren wir uns
lieber auf die (un-)wesentlichen Dinge.
Nun, das Getümmel war groß, der Audi Shop wurde belagert und
es wurde gekauft als gäbe es kein morgen. Bei der Modellautobörse konnte man
unter anderem einige Raritäten aus der guten alten Audi Sport-Zeit sichten, wie
zum Beispiel Dieter Basche, den AudiSport-Chef a.D. Aber auch mit
Schweißbändern aus den Achtzigern (unbenutzt), Postern, und raren
Handarbeitsmodellen konnte man sich eindecken.
Nachdem bekannt wurde, dass im Museumsshop noch eine nicht
unbedeutende Menge an T-Shirts im alten Audi Sport-Design verfügbar sind,
konnte man dort Wühltischszenen beobachten, die eher an den Sommerschlußverkauf
bei C&A erinnert als um einen entspannten Einkauf bei Audi.
Dass Österreicher immer schnell und kurzentschlossen
handeln, zeigen wir am Beispiel eines Audi Sport quattro, der am späten
vormittag kurzerhand seinen Besitzer wechselte. Die Schlüssel- und
Fahrzeugübergabe fand noch am Ort des Geschäftsabschlusses statt. Der Sport
quattro wird in Österreich im Hause des glücklichen neuen Besitzers ein gutes
Plätzchen bekommen. Garantiert!
Verwunderung gab es unter den Beteiligten als zu sehen war,
dass die DVD der "Evolution des Driftwinkels", das Machwerk unseres
begnadeten Helmut Deimel, direkt neben dem Ingolstädter Stadtführer angeboten
wurde. Wahrscheinlich stecken da höhere Marketingstrategien dahinter? Oder
einfach nur ein verzweifelter Versuch, der Welt klarzumachen, dass Ingolstadt
nicht nur aus Audi besteht.
Aber selbst im Museum kam der interessierte Besucher bei
genauerem Hinsehen nicht aus dem Staunen heraus: Gut, mit dem Eintrittsgeld
nimmt man es an manchen Tagen scheinbar nicht so genau und die Reifen des
DTM-V8 sind mittlerweile schon so (stein)hart, dass sie schon fast
auseinanderbrechen. Letzteres darf man aber nicht so streng nehmen, denn
schließlich ist es Sinn und Zweck eines jeden Museums, dass dort nur
authentische und originale Exponate stehen, mit denen der interessierten
Nachwelt gezeigt wird, wie es eben früher mal war. Dies dürfte aber nicht auf
den "Rallye Quattro A1" zutreffen, der eigentlich ein A2, und nur auf
den ersten Blick ein Hingucker ist. Diejenigen, die mal einen Blick unter das
Fahrzeug geworfen haben, werden das sicherlich verstehen. Scheinbar weiß nicht
einmal Audi selbst mehr die Bezeichnungen ihrer Rallyequattros. Beim hier
ausgestellten Exemplar dürfte das "A" wohl am ehesten für Atrappe
stehen, bei der wir uns jedesmal freuen, sie wieder zu sehen zu können!
Erfreut hat uns auch ein kurzes Motorsportvideo, dass in einer würfelförmigen Dunkelkammer gezeigt wird, in welcher Rallyehaudegen Rudi Stohl gleich in drei Szenen berücksichtigt wurde. Gleich erkannt an den alten schwarzen Wiener Nummerntaferln, vor denen man nicht mal in Ingolstadt sicher ist.
Ausserdem gab es ja immerhin auch noch den impossanten Paternoster, der von nun an mit prächtigen Rallye- und Renngeräten der Audi Geschichte bestückt ist. Zum Kopfschütteln brachte uns nur der Audi 80 GLE, aus den Anfangsjahren der Audi Rallye-Geschichte: Da hat man es tatsächlich fertiggebracht ein "frisch restauriertes" Rallyeauto mit Ölwannenwindel und Ölauffangwanne doppelt gegen diverse Flüssigkeitsverluste abzusichern, und es tropft trotzdem überall heraus. Und das bei kurz zuvor erfolgtem Neuaufbau. Andererseits: Ein alter Audi, der nicht saftelt, ist ja auch nicht wirklich authentisch, oder?
Während sich Groß und Klein noch im Getümmel drängten, und sich mit kleinen (Modell-)Autos begnügten, wurden ein Stockwerk tiefer die echten fahrbaren Untersätze begutachtet. In der Tiefgarage war im Gegensatz zu letztem Jahr kein einziger Lambo zu finden. Na ja, vielleicht sind die heuer vorhandenen Audi RS4 Cabrio mit schneeweißer Lederbestuhlung eindeutig die besseren Winterautos.
Vielfach anwesend aufgrund des Ansturmes auf die Modellautobörse: Urquattros aller Baujahres- und Tuningausbaustufen. Uns gefiel auch, dass scheinbar in jeden bayerischen Urquattro 20V ein Lenkrad mit original Walter Röhrl-Unterschrift zu finden ist. So gesehen war das zwar nichts besonderes mehr, aber es gehört sich hier quasi genauso wie die Brezn zur zünftigen Weißwurscht.
Zu guter Letzt ging es noch ganz gesittet in die Ringlerstraße zu AudiSport, das in einer Gegend liegt, die so aussieht, als ob das ganze Jahr über November wäre. Wenn man sich das Hauptgebäude so ansieht, kommt man zur Erkenntnis, dass sich dort seit den Achziger Jahren nicht viel verändert hat.
Das Fazit unseres etwas anderen Erlebnisberichtes ist, dass
Ingolstadt viele Attraktionen bietet, wenn man ein Freund des sanften Sarkasmus
ist. Aber bevor jetzt noch jemand meint, wir mögen alte Audis nicht: Wer
perfekte Autos sehen möchte, geht zu BMW oder Mercedes. Perfekt, aber herzlos.
Ingolstadt lehrt uns jeder Jahr, dass kleine Fehler nicht nur Menschen
liebenswert machen können.
Text: Roland Scharf